KEN LUM PI
Ken Lum, geboren als Sohn chinesischer Einwanderer in Vancouver, arbeitet seit den 1980er Jahren vorwiegend mit Fotografie und Schrift. In Plakatserien erforscht er die gestalterischen Möglichkeiten der Werbung. Das in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten gestiegene Interesse am künstlerischen Potenzial der Fotografie hat zur zunehmenden internationalen Wertschätzung Lums beigetragen – neben Jeff Wall zählt er mittlerweile zu den bekanntesten kanadischen Künstlern.
Um auf der Ebene der Alltagserfahrung mit Werbeformen im Stadtraum zu kommunizieren, lehnt Ken Lum seine Arbeiten an deren Ästhetik an und greift dabei gleichzeitig auf die öffentlich wirksamen Aspekte von Dada, Surrealismus und Konstruktivismus zurück.
Die Verwendung von Spiegel in Kombination mit Schrift in der Westpassage Karlsplatz stellt eine weitere Entwicklung in Lums Werk dar, das von Beginn an um Identität, Sprache und Kultur kreist. In seiner Medieninstallation Pi beschäftigt er sich mit dem Thema der Statistik und bezieht sich mit numerischen Angaben auf die Welt.
An den Seitenwänden der Passage sind 14 verspiegelte Paneele mit geätzten Inschriften angebracht. Unterhalb dieser Überschriften befindet sich jeweils eine LED-Anzeige. Die dort visualisierten Zahlen verändern sich auf Grundlage sozialwissenschaftlich erhobener statistischer Daten, mathematischer Prognosemodelle und der damit verknüpften Algorithmen. Ken Lum verweist auf ein Beispiel, auf dem seine Idee basiert: „In New York befindet sich eine große Countup-Uhr, die die öffentliche Staatsverschuldung der USA darstellt; die Zahlen springen jede einzelne Sekunde hinauf."
Im unterirdischen Fußgängerdurchgang unter dem Karlsplatz spiegeln sich die Passantinnen und Passanten in den einzelnen Paneelen. Während sie die jeweils aktuellen Zahlenwerte auf dem digitalen Zählwerk lesen, werden sie als Lesende mit der Zahl performativ verschränkt.
Ken Lum bezeichnet seine Kombination von Text mit statistischem Zahlenmaterial als Factoid. Factoids können sowohl zählbare Tatsachen als auch trivialisierte Informationen sein, die in Zahlen übersetzt werden – meist handelt es sich um präzise erhobene und komplexe Datensätze, wobei die Differenz von lokalen und globalen Bezügen ins Spiel gebracht wird. Das Factoid „Verzehrte Schnitzel in Wien seit 1. Jänner" bringt nicht nur die ironische Seite der Statistik ins Spiel, sondern bildet auch einen Anschluss an die von der Arbeiterkammer Wien geförderte Plakatserie Schnitzel Company, mit der Ken Lum schon 2004 im Wiener Stadtraum präsent war.
Über dem an die Hauptpassage angrenzenden Eingangsbereich befindet sich eine großformatige LED-Anzeige hinter halbverspiegeltem Glas. Ein 14-stelliges Zählwerk visualisiert ununterbrochen neue Zahlenkombinationen und verweist auf das zentrale Thema der Installation.
Räumlich im mittleren Bereich des Durchgangs positioniert steht die Darstellung der Zahl Pi als Symbol für die Welt. Die unendliche Dezimalzahl ist mit 478 Kommastellen ins Breitwandformat übersetzt, wobei die zuletzt errechneten Stellen per Computerprogramm auf eine LED-Anzeige eingespielt werden.
In einer freistehenden Vitrine an der Abzweigung Richtung Secession wurde eine Ausstellungssituation mit lexikalischen und statistischen Handbüchern zu Themen wie Bevölkerungsentwicklung und Migration geschaffen. Hier wird – ähnlich wie bei den Factoids – das mathematische Problem der Zurechnung angesprochen, das in seiner politischen Dimension dem globalen Phänomen der Migration als Anwesenheit, Zugehörigkeit und Ausschluss entspricht.
Der durch den Umgang mit Massenmedien geformte Minimalismus und die in der Werbung erfahrene Konzeptkunst ermöglichen es Lum, komplexe soziopolitische Zusammenhänge wirksam im öffentlichen Raum zu formulieren.










